Maximale Energiedichte mit fünf Franken

In diesem Schuljahr ersetzen wir erstmals die Schulprojektwoche durch drei Ausflüge. An diesem zweitägigen Ausflug mit seiner bedeutungsgeladenen Bezeichnung «Survival» sollten tatsächlich einige Überlebens- oder mindestens Motivationskünste gefragt sein …

Der Wetterbericht hat recht: heftiger Dauerregen. Eine anständige Ausrüstung könnte zu Langeweile führen, also haben drei Jugendliche kurzerhand beschlossen den Regenschutz – vielleicht zugunsten leichteren Gepäcks – in Liestal zu lassen. Eine Improvisation später stecken alle drei in je einem 110 l Abfallsack mit zwei Arm- und einem Kopfloch. Zweite Herausforderung bewältigt.
Da fällt mir auf, die erste habe ich verschwiegen. Entschuldigung. Voilà: Challenge «Notvorrat». Die Sache ist denkbar einfach: «Kaufe im Volg mit Sfr. 5.00 möglichst energiereiche und haltbare Lebensmittel. Erziele eine hohe Energiedichte!» Die Jugendlichen haben also Verpackungen studiert, allerlei Dreisätze berechnet und ihre persönliche Überlebensration zusammengestellt. Einige sind entscheidungsschnell und rasch zufrieden, andere optimieren das Kilojoule und den Fünfräppler. Am Ende liegen neben dem Üblichen eine Familienpackung Erdnüsse und eine anständige Portion Butter auf dem Kassenband. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, wir würden uns einen Tag lang kulturell rückwärts entwickeln und die Tauschgesellschaft kurz aufleben lassen. Ein wunderbares Ergebnis, dieses aufeinander angewiesen und voneinander abhängig sein.

Pünktlich zum Start unserer ca. zweistündigen Wanderung setzt der prognostizierte Dauerregen ein. Immerhin wissen wir, der Schlafplatz würde an einer überdeckten Feuerstelle im Wald liegen. Das stimmt zuversichtlich, lässt aber den Hügel (einige sprechen gar von Berg) zwischen uns und dem Abendlager ziemlich unbeeindruckt. Er bliebt, wo er seit Jahren schon ist. Hier, also dort. Schritt für Schritt, Weide für Weide nähern wir uns an und finden am Mittag durchnässt unser Dach über dem Kopf. Trockene Kleidung später will ein Feuer entzündet und unterhalten werden. Die Feuerstelle befindet sich mitten auf der Lichtung, mitten im Dauerregen. Selbstverständlich braucht das Feuer ein Dach über den Flammen. Seile werden gespannt, Zeltplachen zusammengeknüpft und darüber gehängt. Funktioniert. Bloss der Rauchabzug liesse sich verbessern. Wärme hat Priorität und geräucherte Menschen riechen nach Rauch. Gar keine so unangenehme Duftvariante!

Zum Abendessen gibt es Fondue und Chili sin Carne. Alle helfen mit. Sogar die Fondue-Gabeln werden selbst geschnitzt. Wir investieren dafür enorm viel Zeit, Geduld, ungefähr drei Schnitte und sämtliches Verbandsmaterial, das ich dabei habe. Beides schmeckt enorm lecker.
Eine andere Ausflugsgruppe, die auf dem nahe gelegenen Bauernhof mithilft und übernachtet, besucht uns am Feuer. Wir laden sie auf Schoggi-Bananen und Marshmallows ein. Wir erzählen uns Geschichten und lachen viel. Ich präzisiere: Ein Jugendlicher erzählt eine (sehr ausführliche, sehr detailreiche und sehr ausschweifende) Geschichte. Später verkriechen sich alle in ihren Schlafsack. Es ist dunkel. Es wird still.

Nach dem Frühstücksbuffet mit frischem Kaffee, heisser Schoggi, Rührei mit Speck und viel Butter räumen wir das Lager und packen unsere Rucksäcke. Glücklicherweise dürfen wir das Gepäck transportieren lassen und können unbelastet durch die Teufelsschlucht nach Hägendorf spazieren (einige sprechen gar wandern). Wir verströmen unser aufdringliches Raucharoma im Dorf, im Zug und im Bus. An der Bushaltestelle Munzach steigen wir aus und nehmen die letzten Meter unter die Sohlen. Es regnet. Der Wetterbericht hat recht: heftiger Dauerregen.